Warum sollten wir im RAW-Format fotografieren?

Die Frage, warum wir im RAW-Format fotografieren sollten, wird mir regelmäßig gestellt. Meine einfache und spontane Antwort ist immer, weil ich mit “Durchschnitt” nicht zufrieden bin. Warum Durchschnitt? Die heutigen Kameras sind bezüglich der Berechnung von jpg-Bildern schon ziemlich gut. Das alles basiert ja auf einer riesigen Datenbank mit Millionen von Bildern, wie sie von der Mehrheit der Kamerabesitzer gemacht werden. Und die sind mit diesen wirklich guten Durchschnittsbildern ja auch bestens bedient. Aber für alle, ein wenig mehr ambitionierte Fotografen gilt das aber nicht mehr, ja das kann gar nicht mehr gelten. Denn wenn sich jemand bewußt mit dem Medium Fotografie auseinander setzt, macht er Aufnahmen, die häufig schwierige Lichtverhältnisse oder andere technische Anforderungen beinhalten. Hier ist dann eben auch das ganze Spektrum der Möglichkeiten notwendig um zum gewünschten Bildergebnis zu kommen. Das genau ist es – ein Bildergebnis, das der Fotograf so im Kopf hat – soll im Ergebnis heraus kommen. Und das ist dann bestimmt nicht mehr Durchschnitt!

Es macht selbstverständlich ein wenig mehr Arbeit als nur jpg-Bilder zu schießen. Aber der Vorteil des RAW-Bildes ist dann die größere Flexibilität, volle Kontrolle über den Verarbeitungsprozess und damit auch die höhere Qualität des Ergebnisses. Warum sonst fotografieren wir mit einer hochwertigen Spiegelreflexkamera, wenn wir diese Möglichkeit nicht Nutzen wollten. Hier stehen sich also Qualität und Bequemlichkeit direkt gegenüber.

Beginnen wir mit kontrastreichen Szenen, die zwar vom menschlichen Auge noch differnziert werden können, aber weder im jpg, noch vom im RAW-Format korrekt abgebildet werden können. Ein jpg-Bild hat aber nur 8 Bit pro Kanal, während im RAW-Format meist 12 bzw. 14 Bit pro Kanal zur Verfügung stehen. Noch höhere Kontrastumfänge können dann über HDR-Belichtungen realisiert werden. Das muss am Ende wieder auf die 8 Bit pro Kanal für den Monitor oder möglicherweise noch weniger für den Drucker reduziert werden, aber das ist nun mal die Aufgabe für einen Fotografen mit ein wenig mehr Ansprüchen als vom Durchschnitt gewohnt.

JPG-Format

  • Die Bilder sind direkt aus der Kamera heraus für Email, Drucker und Betrachtung auf verschiedenen Geräten ohne die Notwendigkeit eines Postprozessing mit Zusatzsoftware wie Lightroom oder Photoshop verwendbar
  • Der Platzbedarf auf der Speicherkarte ist geringer und so können mehr Bilder auf einer Karte gespeichert werden (ist bei den heutigen Speicherkarten nicht wirklich ein Problem)
  • Durch die kleinere Dateigröße werden die Bilder schneller auf der Karte gespeichert, was bei Serienaufnahmen (Sport) eine Rolle spielen könnte
  • Dinge wie Farbraum und Weißabgleich werden beim Speichern ins Bild “eingebrannt”. Spätere Änderungen mindern wieder die Qualität beim erneuten Speichern
  • Das jpg-Bild wird von Anfang an verlustbehaftet gespeichert. Jede weitere Änderung und erneutes Speichern erhöht die verlustbehafteten Artefakte. Dies ist besonders bei hell/dunkel-Übergängen sichtbar.

RAW-Format

  • Das RAW-Format hat einen höheren dynamischen Umfang als jpg, was bei den Lichtern und Schatten im Grenzbereich mehr Details ergibt (Umfang ist 1 bis 2 Blenden)
  • 12 Bit pro Kanal bei RAW ergibt 68 Milliarden Farben im Vergleich zu nur 16 Millionen bei jpg mit 8 Bit pro Kanal. Das ergibt eine glattere Kurve für den Farbverlauf mit viel mehr Schattierungen und ohne die Gefahr dass Farbbänder entstehen
  • RAW ist das digitale Equivalent eines analogen Negatives. Dieses Format kann man nicht versehentlich überschreiben oder in der Größe ändern. Bei jpg ist das sehr wohl versehentlich möglich. Trotzdem kann das RAW-Bild leicht bearbeitet und angepasst werden und dann in einem jpg-Format oder verlustfreien Formaten wie tiff ausgegeben werden, was ja meist das Ziel ist. Aber das Original bleibt unverändert in voller Qualität erhalten und kann erneut mit anderen Parametern verlustfrei bearbeitet werden
  • Zur “Entwicklung” des RAW-Formats wird zusätzliche Software wie z. B. Lightroom benötigt. Das ist das Äquivalent zur früheren Dunkelkammer, nur dass hier und heute damit Ergebnisse erzielt werden können, von denen ich zu meiner damaligen Zeit in der Dunkelkammer nur träumen konnte. Es war und ist schlichtweg fast nicht vorstellbar was damit heute möglich ist.
Beispiel für RAW-Format: Sonnenaufgang am Wildpferdhügel/ Tennenloher Forst

Das Bildbeispiel zeigt einen Sonnenaufgang, der mit 4 Belichtungen erstellt wurde. Dabei lagen die Lichtwerte zwischen der ersten und der letzten Belichtung ca. 4 1/2 Stufen auseinander (Blende 8 und 1/3 bis 1/30 sec.). Die komplette Serie mit diesen Bildern vom Sonnenaufgang am Wildpferdhügerl ist auf meiner Homepage zu finden. Für alle, die in Zukunft mit dem RAW-Format arbeiten wollen oder es jetzt schon tun und dazu Lightroom benutzen wird es hier in Kürze von mir angebotene Webinare geben. Die Termine werden auf der Startseite zu finden sein.

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3 Gedanken über “Warum sollten wir im RAW-Format fotografieren?

  1. Othmar Wiesenegger

    Wilhelm, das hast Du so schön und anschaulich beschrieben, dass jeder der es liest nie wieder JPG Bilder macht!
    Grüße
    Othmar

    1. Wilhelm Kleinöder_a3

      Danke Othmar.

      Das wäre natürlich schön, wenn das gelänge. Wenn denn da nicht bei manchem die Bequemlichkeit dagegen stünde. Aber für die ernsthaft Interessierten werde ich demnächst Lightroom Kurse anbieten.

      Gruß
      Wilhelm

  2. Heiderose Detsch

    Lieber Wilhelm,
    was für ein Morgen, solche Bilder vergißt man nie! Prima Idee, dass Du uns Lightroom näher bringen willst! Ich bin sehr glücklich mit meinen Bildern im Raw Format- danke dafür!
    Heiderose

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